Have a break, write a book

Ein Absatz im Wandel der Zeit

Wie ändert sich ein Text im Laufe der Überarbeitung (die ja, zwangsläufig iterativ verläuft)? Meine Texte bieten dafür wahrscheinlich kaum Anschauungsmaterial, da ich – entgegen der Empfehlung eines gewissen Herrn King – eher „mit geschlossener Tür“ (na, vielleicht doch eher „leicht angelehnter Tür“) an die Überarbeitung meiner Texte gehe.

Nichts desto trotz habe ich einmal einen Absatz aus meinem Buch „Haus Marianne“, den ich gerne – in seinen verschiedenen Entwicklungsstadien – teilen möchte.

1. Die „Rohfassung des Manuskripts“ (von vorne nach hinten runtergeschrieben, Null Überarbeitung, Rechtschreibefehler zum Mitnehmen):
Ich kannte Mia von Früher, als wir beide noch jugendliche waren und noch nicht an Tod oder Dinge wie Darmkrebs dachten. Wobei ich schon an Tod dachte, hatte ich doch kurz nachdem Mia fortgezogen war, einen üblen Kerl die Treppe heruntergestoßen. Das jedenfalls war die Version, der ich seit dem erlaubt hatte, in meinem Gedächtnis zu verweilen.          
Wie man unschwer erkennen kann, ist alles noch arg „verschwurbelt“ und dilettantisch (man beachte den plumpen Versuch des Foreshadowings). Also gings zunächst mal zum Adverbienstreicher Mr. Lu.

2. Die Manuskriptfassung, mit der ich zum ersten Mal eine etwas größere Testlesergruppe quälte. Auch hier gab es noch Tippfehler. Die einzige Überarbeitung, die zwischenzeitlich stattgefunden hatte, waren ein paar Rechtschreibefehler. Wie gesagt: Ich überarbeite mit geschlossener Tür.
Ich kannte Mia von Früher, als wir beide noch Jugendliche waren und noch nicht an Tod oder Dinge wie Darmkrebs dachten. Wobei ich schon an Tod dachte, hatte ich doch kurz nachdem Mia fortgezogen war, einen üblen Kerl die Treppe herunter in den Tod gestoßen. Das jedenfalls war die Version, der ich seit dem erlaubt hatte, in meinem Gedächtnis zu verweilen.
Ich schäme mich ein wenig dafür, dass ich nicht all die Worte weggelassen habe, die mir mein Erstleser gestrichen hat (zum Beispiel „ich schon an Tod dachte, hatte ich doch kurz nachdem“). Aber wie man noch sehen wird, bin ich auch zu Änderungen fähig.

3. Aus den Rückmeldungen meiner sechs Testleser bastelte ich eine Version, die ich meiner Lektorin vorlegte.
Ich kannte Mia von früher, als wir beide noch Jugendliche waren und noch nicht an Tod oder Dinge wie Darmkrebs dachten. Das fing erst an, als ich, kurz nachdem Mia fortgezogen war, einen üblen Kerl die Treppe herunter in den Tod gestoßen hatte. Das jedenfalls war die Version, der ich seitdem erlaubt hatte, in meinem Gedächtnis zu verweilen.
Die einzige Entschuldigung, die ich für meine Sturheit habe, ist eine Charaktereigenschaft von mir, die mein Bruder einmal wie folgt beschrieb: „Ein David Hermann hat keinen Sinneswandel!“

4. Werfen wir einen Blick ins fertige Buch. Wie man unschwer erkennen kann, bin ich, wenn man mich nur lange genug nervt (okay, sagen wir mal „auf Dinge hinweist“), doch zu Änderungen fähig.
Ich kannte Mia von früher, als Mia noch jung und ich noch unschuldig war und wir noch nicht an Dinge wie Tod oder Darmkrebs dachten.

Wie ich schon in den Danksagungen meines Machwerks schrieb (oder „schrob“, wie es eigentlich heißen müsste), gehe ich nicht wirklich mutig an meine Texte heran. Ich gelobe an dieser Stelle Besserung. Das Netz ist mein Zeuge.

1 Kommentar

  1. Lutz Hermann

    Sehr cooler Text, beziehungsweise Metatext. Finde ich auch sehr mutig, das so online zu stellen.

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