Zu der folgenden Geschichte muss ich zwei Anmerkungen machen: Der Titel wurde mir von Lutz vorgegeben. Außerdem ist der erste Satz der Geschichte ganz eindeutig eine Hommage an Karl Mays „Winnetou Teil 1“. Viel Spaß beim Lesen.

Immer fällt mir, wenn ich ans Basteln denke, die Marmelade ein. Wie das sein kann, fragen Sie sich? Es liegt an der Art, wie ich bastle und wie ich Marmelade koche. Denn bei beidem gehe ich besonders gewissenhaft vor. Anders als meine Frau, die sich, wenn sie Marmelade kocht, mit einem Pürierstab durch die roten Beeren pflügt als gäbe es kein Morgen, kümmere ich mich um jede einzelne Beere, als hätte ich nur diese eine auf dem Feld gesammelt. Mit voller Hingabe zerdrücke ich sie langsam mit dem Löffel, bis schließlich ihre dünne Haut aufplatzt und der rote Saft hervorquillt. Dann greife ich zur nächsten Beere. Natürlich schaffe ich bei solch einer Vorgehensweise höchstens ein Glas pro Tag, doch schmeckt die Marmelade, dank all der Mühen, tausendfach besser.
Nach derselben Methode gehe ich vor, wenn ich bastle. Was hatte ich eine Freude beim Zusammensetzen all der Helikopter, Panzer und Flugzeugträger, die jetzt aufgereiht auf dem gläsernen Regal stehen. Unbezahlbar ist die Ruhe, die ich – unten in meinem Kellerraum – empfinde, wenn ich ein neues Model zusammensetze. Stück für Stück. Jeden Tag klebe ich nur ein einziges Bauteil an, so sehr habe ich mich diszipliniert. Doch dieses eine Bauteil muss perfekt sitzen, weshalb ich mich besonders stark konzentrieren muss.
Heute stehe ich – leicht vorübergebeugt – vor dem Apache AH 64 und halte das vorletzte Bauteil – die Heckrotoren – in der Hand. Bald schon würde er sich zu seinen Brüdern – dem Comanche, dem Eurofighter und all den anderen – gesellen. Nur noch zwei Teile sind anzubringen.
Vorsichtig bestreiche ich die Enden der Rotorblätter mit dem teuren Klebstoff. Das Teil muss perfekt sitzen. Perfekt. Mit ruhigen Fingern setze ich es exakt an seine Position und halte es kurz fest, bis der Kleber getrocknet ist, als plötzlich das Telefon klingelt und mich aus meiner konzentrierten Anspannung reißt.
Ich schrecke hoch und stoße mit dem Kopf an die Deckenlampe. Ich strauchle, drohe vornüber zu fallen und stütze mich irritiert mit der Hand auf dem Tisch ab.
Es knackst laut, als ich den Apache mit meinem Gewicht zertrümmere. Ich spüre einen Stich in meinem Herzen, als hätte ein Unbekannter mir von hinten ein Fleischermesser durch die Brust gerammt. Mein Hirn will explodieren, meine Seele zerreißt.
Schwer atmend richte ich mich auf und betrachte, was ich angerichtet habe: Der Hubschrauber – und damit die Arbeit von mehr als zwei Monaten – ist hinüber. Und das alles nur wegen eines dämlichen Anrufs, um den sich ohnehin in wenigen Augenblicken der Anrufbeantworter kümmern würde. Durch einen Tränenvorhang sehe ich zu dem letzten Bauteil. Die Rotorblätter, die ich morgen angebracht hätte, liegen neben der Pappschachtel mit dem Bild des Apaches bereit. Mit zittrigen Fingern greife ich nach ihnen, breche sie in der Mitte durch und werfe sie in den Papierkorb. Der Apache folgt ihnen.
Morgen werde ich – einen Tag früher als geplant – mit dem Bau des Leopardpanzers beginnen. Bis dahin, sollte ich mich etwas sammeln, um die nötige Konzentration aufbringen zu können. Vielleicht gönne ich mir ein Marmeladenbrot. Der rote Brei wird mir guttun. Oh, dieser schöne rote Brei.

Ende