Ich wage einmal etwas: Mein neuestes Machwerk liegt zur Zeit noch bei diversen Testlesern und wartet noch gespannt darauf, ein weiteres Mal überarbeitet zu werden. Der Text für heute ist ein Auszug aus einem Kapitel, dass es leider nicht über die erste Überarbeitung hinaus geschafft hat (sage und schreibe 4348 Wörter). Viel Spaß beim Lesen. Um nichts vorweg zu nehmen, habe ich mal spontan ein paar Namen geändert.

Oskar hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Jeden Morgen (war es morgens, oder doch eher abends) kam einer der Männer und gab ihm eine Spritze in den Arm. Danach waren alle Schmerzen weg. Die Welt schwand dahin und Oskar löste sich langsam auf. Wenn er erwachte, musste er sich meist übergeben. Anfangs kam nur ekliger Schleim aus seinem Mund. Später gesellte sich auch Blut hinzu. Die Tage zerflossen zu einem Brei aus Übelkeit, Spritzen und trockenem Brot dass einer der Kerle Oskar in den Mund steckte. Die drei Männer redeten nie, und nach einiger Zeit glaubte Oskar nicht mehr, dass sie wirklich da waren. Er hatte sie sich nur eingebildet, wie er sich so vieles in letzter Zeit eingebildet hatte. Die Wachträume im Koma (Dubois Stimme!), sein Leben auf dem Hof, seinen neuen Freund Sven und seine Erfolge beim Schreiben. „All das hat es nie gegeben“, dachte Oskar. Und dann fiel er.
Oskar stürzte in einen Traum und es fühlte sich an, wie damals, als er von der Brücke gesprungen war. Oskar hatte es einfach nicht mehr ertragen, ein nichts zu sein. Gefangen in einem Leben, dass er nicht mehr leben wollte. Ohne Ziele, die er erreichen konnte. Er war früh morgens losgegangen und ziellos durch die Gegend spaziert, bis er gegen Abend an der Bavariabrücke ankam. „Soll ich hier sterben?“, hatte er sich gefragt. Er hatte die Radlkoferstraße zur Hälfte überquert und war dann auf die Brücke gelaufen. Dort hatte Oskar sich auf das Geländer gestellt, die Augen geschlossen („Nicht lange nachdenken!“) und war gesprungen.
Aus diesem Sturz erwachte er jetzt. Er schrie und schrie. Als er die Augen aufriss, durchzuckte ihn ein Schmerz. Über ihm war nichts als die kahle Decke. Oskar drehte sich zur Seite und erbrach sich neben sein Bett. Als er wieder aufblickte, sah er, dass einer der Männer immer noch da war. Er saß stumm auf einem Klappstuhl. Jetzt nahm er eine Telefon aus seiner Tasche und Oskar fiel zum ersten Mal die seltsame Kleidung auf, die der Kerl trug. Er war von Kopf bis Fuß in einen schwarzen Plastikanzug gepackt. („Sie wollen keine Spuren hinterlassen du Superhirn!“) Der Bullige wählte eine Nummer und wartete.
„Ich denke, wir können ihn jetzt bringen.“
Stille. Der Bullige lauschte den Anweisungen. (Er lauschte Dubois Anweisungen.)
„Ja, wir laden ihn vor dem Hof aus.“
Wieder Stille.
„Hier ist alles klar. Wir haben keine Spuren hinterlassen.“
Wieder lauschte der Bullige dem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung.
„Okay, wir machen dann später hier Klarschiff.“
Er legte auf und ging auf Oskar zu.